Die Vorticitygleichung

Die Vorticitygleichung beschreibt die zeitliche Änderung der Vorticity.
Interessiert man sich für die zeitliche Variation der Vorticity im Windfeld an irgendeinem Ort auf der Erde, so ist die Vorticitygleichung, aufgelöst nach der lokalen zeitlichen Ableitung der relativen Vorticity

mit

: relative Vorticity
: Coriolisparameter
: horizontaler Windvektor
: Vertikalgeschwindigkeit im p- System
: Druck
: Vertikaler Einheitsvektor
: isobarer Gradient

maßgebend.

Die ersten beiden Terme auf der rechten Seite geben die horizontale Advektion relativer und planetarer Vorticity, der zweitletzte Term die vertikale Advektion relativer Vorticity wieder. Damit beschreiben sie den räumlichen Vorticitytransport. Kommt der horizontale Wind aus einem Gebiet mit größerer relativer Vorticity oder besitzt er eine Nordkomponente oder führen Vertikalbewegungen aus einem anderen Druckniveau Luftpakete mit größerer Wirbelstärke heran, so liefern diese Terme einen positiven Beitrag zur Tendenz der relativer Vorticity. Umgekehrt erhält man eine negative Tendenz, wenn der horizontale Wind aus einem Gebiet mit geringerer relativer Vorticity kommt oder er eine Südkomponente besitzt oder der Vertikalwind Luftpakete mit kleinerer Wirbelstärke heranführt. Für die großräumigen Prozesse sind die horizontalen Advektionen entscheidend, während die vertikale Advektion meist vernachlässigbar bleibt.

Der dritte und der vierte Term werden nur dann wirksam, wenn Vergenzen im horizontalen Windfeld auftreten. Dabei setzt wiederum der erste der beiden zusätzlich voraus, dass bereits relative Vorticity vorhanden ist. Liegt Konvergenz im horizontalen Windfeld vor, so ergibt sich aus diesem Term stets ein Anwachsen der Wirbelgröße in dem Sinne, dass sich bei vorgegebener positiver bzw. negativer relativer Vorticity deren Werte weiter zum Positiven bzw. Negativen hin ändern. Im Falle von Divergenz folgt in gleicher Weise immer ein Vorticityabbau. Dieser Beitrag lässt sich auf die Drehimpulseerhaltung zurückführen.
Der zweite der beiden Terme gibt die Produktion relativer Vorticity über die ablenkende Wirkung der Corioliskraft wieder. Läuft die Strömung in der Horizontalen konvergent in einem Punkt zusammen, so sorgt die Rechtsablenkung der Corioliskraft für das Entstehen positiver Wirbelgröße (Tiefdruckgebiet) und im Falle einer divergent auseinander laufenden Strömung für das Aufkommen negativer Wirbelstärke (Hochdruckgebiet).

Abbildung 1:
Zur Entstehung der relativen Vorticity
Links: Positive relative Vorticity durch horizontale Konvergenz
Rechts: Negative relative Vorticity durch horizontale Divergenz

Betrachtet man die Summe der beiden Divergenzterme, so zeigt sich, dass sie bei bereits gegebener positiver relativer Vorticity gleichgerichtet wirken, sich aber im Falle von negativer relativer Vorticity gegenseitig mehr oder minder kompensieren (dies gilt bei Konvergenz und Divergenz). Somit läuft in der ersten Situation sowohl der Auf- als auch der Abbau der Wirbelstärke intensiver ab als in der zweiten (Abbildung 1). Daraus resultiert in längere Zeit wirksamen Konvergenzzonen ein immer schnelleres Wachstum der positiven relativen. Vorticity. Die positive rel. Vorticity kann dadurch unbegrenzt groß werden. Die Zunahme der negativen rel. Vorticity in Divergenzzonen wird andererseits während ihres Wachstumsprozesses immer mehr gebremst. Die relative Vorticity kann dabei den Wert von -f nicht unterschreiten.

Der sechste und letzte Beitrag beinhaltet die Umwandlung von Wirbelgröße einer Rotation um eine horizontale Achse in die uns interessierende Wirbelgröße von Drehungen um eine vertikale Achse. Er wird Drehterm genannt, da er versucht, eine horizontal liegende Rotationsachse mehr in vertikale Richtung zu drehen. Über horizontal unterschiedliche Vertikalbewegungen wird dabei Impuls von der einen zur andern Rotation überführt. In den großräumigen Abläufen spielt der Drehterm normalerweise eine untergeordnete Rolle.

Abbildung 2:
Beispiel zur Wirkung des Drehterms der Vorticitygleichung.
Einer mit der Höhe (z-Achse) kräftiger werdenden Westströmung (u), die in Süd- Nord -Richtung (y-Achse)konstant sei, ist Absinken im Süden und Hebung im Norden überlagert. Die horizontal unterschiedlichen Vertikalbewegungen (grün) führen die Rotation der vertikalen Windscherung um eine horizontale Achse (blau) in die Rotation um eine vertikale Achse (rot) über. Es kommt somit positive relative Vorticity auf.

Bei der Untersuchung großräumiger Strömungen auf der Erde kann man also die beiden letzten Summanden auf der rechten Seite der Vorticitygleichung vernachlässigen. Dann spielt nur noch das horizontale Verfrachten und die Drehimpulserhaltung bzw. die Produktion von relativer Vorticity im Bereich horizontaler Vergenzen eine Rolle. Man kann davon ausgehen, dass in der unteren Troposphäre die Vergenzen, in der mittleren Troposphäre der Transport und in der oberen Troposphäre beides zusammen die Tendenz der relativen Vorticity bestimmt. Interessant ist dies vor allem für die mittlere Troposphäre (in ca. 500 hPa). Die Verlagerungsrichtung und -geschwindigkeit einer Welle in einer westlichen Höhenströmung wird in diesem divergenzfreien Niveau ausschließlich durch die Vorticityadvektion bestimmt (Abbildung 3). Im Allgemeinen fällt ein Wellentrog mit einem Maximum an positiver relativer Vorticity zusammen und verlagert sich in Richtung der stärksten positiven Vorticityadvektion, während ein Potentialrücken mit einem Maximum an negativer relativer Vorticity (d.h. einem Vorticityminimum) zusammenfällt und entsprechend zur stärksten negativen Vorticityadvektion hin wandert. Die Advektion relativer Vorticity ist an der Ostflanke des Troges positiv und an der des Rückens negativ. Daher würde eine östliche Verlagerung resultieren. Gleichzeitig ist aber die Advektion planetarer Vorticity mit nördlichen Winden westlich des Troges positiv und mit südlichen Winden westlich des Rückens negativ, was für eine Westverlagerung spricht.

Abbildung 3:
Stromlinien einer west- östlich orientierten Welle im Niveau 500 hPa.
Die blau gezeichneten Abschnitte weisen negative relative Vorticity, die rot gezeichneten positive relative Vorticity auf. ARV = Advektion relativer Vorticity, APV = Advektion planetarer Vorticity

Die Zugrichtung einer Welle in einem westlichen Grundstrom hängt deshalb maßgeblich von ihrer Wellenlänge ab. Kurze Wellen (Wellenlänge ca. 3000 bis 5000 km), bei denen die Advektion relativer Vorticity die der planetaren überwiegt, wandern rasch nach Osten. Lange Wellen (Wellenlänge ca. 5000 bis 10000 km) pflanzen sich nur sehr langsam nach Osten fort oder bleiben ortsfest, je nach dem wie stark die Advektion planetarer Vorticity die der relativen Vorticity kompensiert. Überwiegt die Advektion planetarer Vorticity, so kann es dabei sogar zu einer Westverlagerung kommen.